Sackgasse Kaufinteressent – ohne Käufer keine Nachfolge!
Die Gestaltung einer Nachfolgelösung für deutsche klein- und Mittelständische Unternehmen (KMU) ist schon immer eine Herausforderung für die Unternehmensleitung sowie Gesellschafter und Inhaber. Trotz umfassender Lebens- und Berufserfahrungen haben die wenigsten von ihnen bereits Kenntnis darüber, was bei einem Unternehmensverkauf, der Nachfolgeregelung von Bedeutung ist und an Aufgaben auf sie zukommt. Laut dem IHK-Nachfolgereport NRW 12/2024 plant der größte Teil der Unternehmen, bei denen eine Nachfolge ansteht, diese extern zu regeln. Dem Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2024 (KfW Research Nr. 481) nach „streben bis zum Ende des Jahres 2028 rund 532.000 der insgesamt 3,84 Mio. mittelständischen Unternehmen in Deutschland eine Nachfolge an“. Eine erschreckende Nachricht ist, dass rund 24% aller Unternehmer (920.000) Pläne der möglichen Stilllegung hegen. Dabei spielt offensichtlich allein schon die Vermutung, keinen geeigneten Nachfolger zu finden, eine erhebliche Rolle. Bei rund 345.000 Unternehmen, bei denen in nächster Zeit eine Nachfolgelösung erforderlich ist, wird die Geschäftsaufgabe zumindest als eine ernsthafte Option erwogen. Und dass, obwohl die wirtschaftliche Situation des Unternehmens in vielen Fällen zumindest die Anstrengungen der Suche nach einem Nachfolgenden rechtfertigen würde. Wie also können M&A Professionals diese Unternehmer abholen, wie könnten sie unterstützt werden?
Die steuerliche und rechtliche Gestaltung eines Verkaufs, die Preisfindung, die Planung und Umsetzung einer Übergabephase und ähnliches stellen Aufgaben dar, die mehr oder weniger gut zu erfüllen sind. Im Zweifel, also sollte die Aufgabe nicht optimal gelöst werden, hat das lediglich ein wirtschaftlich schwächeres Ergebnis zur Folge. Die Frage nach dem Finden eines Nachfolgers stellt dagegen den Flaschenhals, wenn nicht sogar eine Sackgasse dar. Der Prozess des Verkaufs kann schlicht nicht durchgeführt werden, wird kein Interessent gefunden. Dann spielt es auch keine Rolle, wie gut die Due Diligence Prüfung vorbereitet ist oder wie qualifiziert die Unternehmensbewertung erstellt wurde. Das Unternehmen ist ohne Käufer schlicht nicht zu verkaufen und wird in der Folge in aller Regel abgewickelt, also geschlossen und liquidiert.
Der mit Abstand größte Anteil der „externen Lösungen“ wird in dem Erwerb durch eine externe Person, einem MBI-Kandidaten (Management-buy-in) gesehen, womit diese Zielgruppe eine besondere Rolle einnimmt. Der MBI-Kandidat erwirbt das Unternehmen nicht nur, sondern steht zukünftig auch als Führungspersönlichkeit, in der Regel als Geschäftsführer und bestimmender Kopf des Unternehmens, zur Verfügung. So kann die Lösung aus einem Guss angestrebt werden. Finanzinvestoren wie Family Offices oder strategische Käufer zeigen oft kein Interesse an Unternehmen, wenn es keine stabile zweite Führungsebene gibt bzw. intern Personen bereitstehen, die Geschäftsleitung oder -führung zu übernehmen, so die Erfahrung. Sobald ein solcher Käufer Interesse zeigt, ist die Frage der zukünftigen Führung und damit des erfolgreichen Fortbestands des Unternehmens zunächst weiter offen. Wird ein Teil des Kaufpreises als Earn-Out vereinbart (erfolgsabhängig und zu einem späteren Zeitpunkt nach Übergabe zu zahlender Teilbetrag des Gesamtkaufpreises), so besteht auch für den Verkäufer das Risiko eines Verlustes, bei mangelhafter oder fehlender Führung.
Laut einem DIHK-Report „stehen drei Unternehmen auf der Suche nach externer Nachfolge einer übernahmeinteressierten Person gegenüber“. Zusätzlich sinkt die Anzahl der Menschen, die als Nachfolger bereitstehen, weiter. Der Nachfolge-Monitoring Mittelstand 2024 führt dazu aus: Neben dem demografischen Wandel, Stichwort Babyboomer, verringern Bürokratie und Risiko den Drang zur Selbständigkeit. Außerdem sorgt eine gute Arbeitsmarktlage für den Vorzug zur Anstellung. Betrachtet man die Entwicklung der Übernahmegründer und Existenzgründer (derivative Gründung), so wurden im Jahr 2002 noch 1.461.000 Existenzgründer und davon 203.000 Übernahmegründer (ca. 14 %) erfasst. Im Jahr 2023 waren es nur noch 568.000 Existenzgründer – 45.440 davon stellten den Anteil an Übernahmegründer dar (ca. 8%).
Der bereits zitierte Nachfolge-Monitor der KfW stellt auch fest: „Bereits jetzt ist das Missverhältnis zwischen Nachfolgewünschen und Nachfolgeinteresse ausgeprägt. Überhaupt Nachfolgerinnen und Nachfolger zu finden, ist die zentrale Hürde. Eine Problemverschärfung in naher Zukunft liegt nahe.“ Und weiter „nicht nur, dass es zu wenige Nachfolgeinteressierte gibt. Erschwerend kommt das Problem des Zusammenfindens hinzu. Schwierig ist allein schon der Erstkontakt zwischen Unternehmen und Nachfolgeinteressierten … Nachfolgebörsen stellen diesbezüglich ein wertvolles Instrument dar, um das Zusammenfinden der Akteure zu erleichtern und die Informationsasymmetrien zwischen den Parteien zu reduzieren.“
Tatsächlich müsste es „Nachfolger-Börsen“ heißen. Gesucht werden der, oder besser noch die, passenden, qualifizierten und mit ausreichend Eigenkapital ausgestatteten Nachfolger als Kaufinteressenten, um in Verhandlung treten zu können und im Verkaufsprozess weiterzukommen. Gibt es nur einen Bieter, ist die Lücke zwischen Erwartungen des Verkäufers und dem einen Angebot vermutlich groß. Das Ziel muss lauten, eine Anzahl von mehreren Bietern kennen zu lernen, um eine ideale Ausgangssituation für Preisverhandlungen zu haben und einen marktgerechten Preis für das eigene Unternehmen erzielen zu können.
Doch wo und wie findet man geeignete Nachfolger? Offene Online-Börsen wie die der dub.de, nexxt-change.org oder regionaler Anbieter wie unternehmensboerse-hessen.de oder nachfolgezentrale-mv.de bieten genauso wie geschlossene Börsen, zum Beispiel deal-one.de, stabwechsel.de oder dealcircle.com, die Möglichkeit für Kaufinteressenten, sich mit einem mehr oder weniger strukturierten Suchprofil zu registrieren. Nahezu alle Börsen bieten eine Suche nach Stichworten, einige bieten die Möglichkeit der Angabe einiger Daten zur Suche und nur wenige „matchen“ tatsächlich Kaufinteressenten mit der Anfrage oder dem Angebot des Verkäufers bzw. dessen M&A Beraters. Dabei ist die Qualität und Logik des Matching-Prozesses entscheidend dafür, die berühmte Stecknadel im Heuhaufen zu finden. Hier wird zunehmend entscheidend sein, wer es schafft, bestehende KI-Anwendungen zu implementieren und folgend auch „echte“ lernende künstliche Intelligenz zu nutzen. Nach dem Motto: knapp daneben ist auch vorbei, stellt man immer wieder fest, dass Angebote Kaufinteressenten unbekannt bleiben, obwohl es doch hätte passen können. Ob die knappe Verfehlung einer geografischen Angabe, der Standort des Unternehmens liegt zum Beispiel nur 2 Kilometer außerhalb einer angegebenen Region, in der ein Nachfolger investieren möchte, die ungenaue Angabe der Branche/n oder einer Differenz zwischen dem zu erwartenden Kaufpreis und dem angegebenen Eigenkapital, die mittels Co-Investor oder ungenannten Alternativen keine Relevanz haben könnte – der Anspruch an die „Intelligenz“ des Matching-Prozesses ist hoch. Mittels KI ist eine ständige Verbesserung der Ergebnisse vorherzusagen und auch zu erwarten.
Werden die bestehenden Angebote den Anforderungen gerecht?
Findet überhaupt kein Matching im Sinne eines Automatismus statt, so muss man sich auf die Initiative des Verkäufers oder dessen M&A Beraters verlassen. Er muss Suchprofile von Nachfolgern aus verschiedenen Quellen durchstöbern um die als geeignet erscheinenden Kandidaten zu identifizieren und anzusprechen. Ein Aufwand der leider oft nicht in Kauf genommen wird. Ein automatischer Matching-Prozess, der einen Teil der Recherche digital abbildet, macht es für den Anbieter einfacher, vorgeschlagene Kaufinteressenten über das zum Verkauf stehende Unternehmen zu informieren.
Aus Sicht des Nachfolgers gibt es ebenfalls hohe Anforderungen. Ein typischer MBI-Kandidat beginnt die Suche nach dem eigenen Unternehmen, als nächste Station seiner Karriere, oft aus einer Führungsposition im noch bestehenden Anstellungsverhältnis heraus. Als Vorstand oder Geschäftsführer ist es nicht förderlich, dass der eigene Arbeitgeber oder direkte Kollegen von den Plänen erfahren. Einige potenzielle Nachfolger kommen aus namhaften Unternehmer-Familien, verfügen über nennenswertes Vermögen und möchten schon deshalb nicht erkannt werden. In all diesen Fällen ist es ein Bedürfnis, dass die eigene Suche anonym erfolgt, ja mehr noch, dass man den Prozess so weit wie möglich selbst im Griff hat und bewusst entscheiden kann, ob und ab wann man sich zu erkennen gibt und ob man bereit ist, in direkte Verhandlungen zu treten. Derartige Nachfolger wird man daher in der Regel auf den Online-Portalen nicht finden. Schließlich, selbst wenn man die Präsentation der Suche anonym gestalten kann, ist im Fall der ersten Kontaktanbahnung bereits die eigene Identität offengelegt.
Die Lösung könnte also die Suche über den versierten M&A Berater sein. Er ist im Markt gut vernetzt, nimmt laufend zum Verkauf stehende Unternehmen wahr und kann sich in Abstimmung mit dem jeweiligen M&A Berater auf der Verkäuferseite auf professioneller Ebene verständigen. So sind eine zeiteffektive und vertrauliche Suche und Kontaktanbahnung möglich. Doch auch hier stoßen wir auf das bereits oben geschilderte Problem: Es stehen viele erfolgreiche Unternehmen zum Verkauf, die nahezu alle einen M&A Berater benötigen. Die Anzahl erfolgreicher M&A Berater ist jedoch begrenzt. Die wirtschaftlichen Interessen des Beraters und insbesondere der größeren Beratungsgruppen oder -gesellschaften werden am ehesten erfüllt, wenn man das exklusive Verkaufsmandat des Unternehmers (Sell-Side) erhält. Früher oder später ist eine nennenswerte Erfolgsprovision garantiert und nicht selten wird ein Fixum vorab für den laufenden Aufwand, ein sogenannter Retainer, fällig. Beides ist bei einem Mandat durch einen Kaufinteressenten (Buy-Side) nicht gegeben. Es ist ungewiss, ob und wann überhaupt ein passendes Unternehmen gefunden und dann auch erworben wird. Aus dieser Ungewissheit heraus sind die wenigsten Interessenten zur Zahlung einer Fixvergütung für den vorab zu erbringenden Aufwand des M&A Beraters bereit. Der qualifizierte M&A Berater ist also eher an Sell-Side-Mandaten mit Fixvergütung und Provisionsanteil interessiert, als sich um die latente Suche eines potentiellen MBI-Kandidaten, der zudem keinen Retainer zur Verfügung stellt, zu kümmern.
Es scheint, als bemühe sich die M&A Szene zu wenig um den Markt der Nachfolger und insbesondere der MBI-Kandidaten. Berater sollten Buy-Side-Mandaten mehr Aufmerksamkeit schenken und zur Unterstützung der Kandidaten bestehende Online-Angebote nutzen. Digitale Angebote und Plattformen müssen deutlicher ausgerichtet sein. Matchings könnten automatisch erkannt werden, nach dem Motto: „wir haben ein Match!“. Die Datentiefe von Käufer- und Verkäuferprofilen sollte groß und doch so weit standardisiert sein, dass in Zukunft auch Plattformübergreifend, unabhängig von den eingesetzten Datenbanken und Programmierungen, gematched werden kann.
Sie sind auf der Suche nach einem geeigneten Nachfolger?
Sie möchten sich selbst als Nachfolger vorstellen und suchen ein Unternehmen?
Unser Fazit: Die Suche nach geeigneten Nachfolgern für Unternehmen wird zunehmend schwieriger, vor allem, da es immer weniger Interessenten gibt. Nachfolge- und Unternehmensbörsen bieten Plattformen, um Käufer und Verkäufer zusammenzubringen, jedoch bleibt die Qualität des Matchings, soweit überhaupt vorhanden, oft hinter den Erwartungen zurück. Der Einsatz künstlicher Intelligenz könnte hierbei helfen. Damit sich Käufer und Verkäufer finden, bedarf es eines Systems, dass die Initiative übernimmt, vor allem ständig zu matchen. Dabei werden Verkaufsprofile und anonym formulierte Käufer-Profile auf Gemeinsamkeiten verglichen. Die Kontaktanbahnung, oft nach der Klärung erster Fragen vorab, muss von erfahrenen „Coaches“ begleitet werden. Die Vertraulichkeit wird mittels vertraglich abgesicherter und durch Profis auf beiden Seiten moderierter Vorgehensweise gewahrt.