Der M&A-Markt
Ein Auszug aus der Publikation „Innovation in Corporate Finance“ – eine Veranstaltungsreihe und White Paper Series des FINANCE Think Tanks Corporate Banking & Finance. In dieser Reihe untersucht der Think Tank relevante Themen der Corporate Banking & Finance Community: Der M&A-Markt backt weniger und kleinere Brötchen
Der Markt stand einige Wochen quasi still. Liquidität sichern, Pulver trocken halten – das war (und ist) für die meisten Unternehmen das Gebot der Stunde. Über allem schwebt außerdem eine Frage ohne Antwort: Was ist der richtige Preis? In krisenresistenten Branchen gibt es zwar noch einige Deals. Aber die meisten sind abgesagt, verschoben oder werden jetzt gar nicht erst geplant. In laufenden Transaktionen wird natürlich der Kaufpreis ebenso noch mal auf den Tisch gebracht wie Fragen nach Sicherheiten und Vertragsstrafen. Möglicherweise werden auch die bislang kaum beachteten MAC-Klauseln einmal gerichtlich getestet (Fresenius hat das kürzlich bei Akorn in den USA ganz unabhängig von der Pandemie erfolgreich getan). Und M&A-Versicherungen (W&I) werden vermutlich in größerem Maße zum Zuge kommen als bislang. Gestiegen sind auch die Anforderungen an die Due Diligence: Die traditionellen Schwerpunkte gehen an den wesentlichen Herausforderungen, die durch diese Krise aufgeworfen werden, vorbei. Derzeit muss der Fokus auf vier kritischen Themen liegen: erstens Aussagen über die Normalisierung der gerade laufenden Krise, zweitens die Verifizierung des Businessplans (insbesondere auch im Hinblick auf den Corona-Effekt), drittens die Entwicklung der sich vermutlich stark verändernden Verschuldung und viertens die Entwicklung der kurzfristigen Liquiditätsausstattung. Um in dieser Ausnahmesituation aussagekräftig zu sein, muss eine Due Diligence umfangreichere Szenario-Rechnungen enthalten und eher mit dem Blick eines Restrukturierungsberaters erfolgen. In den kommenden Monaten werden die M&A-Targets verschiedene der folgenden Kriterien erfüllen müssen: unzyklische Branchen, systemrelevante Geschäfte, wiederkehrende Erträge über Lizenzen etc., Kunden in stabilen Branchen wie Versicherungen, geringe Capex-Ausgaben, spezifisches Know-how (Patente, Produktionsprozesse, Produkteigenschaften etc.), eine besondere Marktpositionierung (Monopole, Single Source etc.) oder Zugang zu speziellen Märkten (Regionen, Kundengruppen etc.). und verkauft viele verbrannte. Künftig wird eine besondere Art von Transaktionen den Markt mitbestimmen: die Notverkäufe, die von spezialisierten Distressed-M&A-Beratern eingefädelt werden. Uneins ist der Beratungsmarkt in der Frage, wer insbesondere bei Unternehmen in der Insolvenz zuschlagen wird. Während die einen darauf verweisen, dass sich die wenigen spezialisierten Finanzinvestoren in diesem Segment vorwiegend die Finger verbrannt haben und darum nur Strategen als Käufer infrage kommen, sehen andere Private Equity durchaus als relevante Käufergruppe – und gerade auch Investoren, die bislang keinen Turnaround-Fokus hatten, sich aber in bestimmten Branchen gut auskennen. Eine weitere Gruppe von Deals sind die langersehnten Übernahmen – also solche Unternehmen, die der Käufer bereits gut kennt. Die gut aufgestellten Strategen haben jetzt die Chance, Unternehmen zu erwerben, auf die sie schon lange ein Auge geworfen haben, die aber bislang nicht auf dem Markt waren. Als Käufer kommen größere deutsche Konzerne in Betracht, aber auch die finanz- und entscheidungs- starken Familienunternehmen, die ohne viel Bürokratie eine wichtige Übernahme in Angriff nehmen können. Einige Unternehmen haben bereits bei Banken, Debt Funds und auch Factoring-Gesellschaften eine „Kriegskasse“ angefragt. Im Markt wird auch von zahlreichen asiatischen Konzernen (aus China, Japan und Südkorea) berichtet, die bislang regelmäßig den Finanzinvestoren im Bieterwettbewerb unter- legen waren und nun darauf hoffen, endlich bei attraktiven europäischen Targets zum Zuge zu kommen. Sowohl Private Equity als auch Strategen setzen großen Hoffnungen in die Bereinigung von Portfolien großer Konzerne. Die Finanzinvestoren erwarten außerdem kleinere Übernahmen als Add-on-Akquisitionen für ihre Portfoliounternehmen. Die Preisfindung wird den Markt hemmen Allerdings: Schon vor der Pandemie war die Schere zwischen den Erwartungen der Verkäufer an den Erlös und die Zahlungsbereitschaft der Käufer immer weiter auseinandergegangen, weil sich die Konjunktur global eintrübte und politische Risiken (auch in Bezug auf den Freihandel) sichtbar wurden. Dieser Trend hat sich abrupt verstärkt: Auf absehbare Zeit wird der M&A-Markt daran kranken, dass sowohl die Multiples als auch die absoluten Gewinne bzw. die Gewinnerwartungen deutlich sinken, während die Verkäufer noch an Vorkrisen-Bewertungen festzuhalten versuchen. Abgesehen von Notverkäufen und langersehnten Übernahmen werden Deals oft am Kaufpreis scheitern. Erst wenn die Käufer der wirtschaftlichen Entwicklung wieder trauen und die Verkäufer ihre Erlöserwartung angepasst haben, kann der M&A-Markt in der Breite wieder anspringen. In der Zwischenzeit werden Notlösungen gebastelt, die beiden Seiten genügend Sicherheit geben sollen. Ein Ansatz sind EBITDA-Garantien für 2020, mit denen der Verkäufer das Risiko für die Performance in diesem Jahr übernimmt, der Käufer für die Zeit danach. Wer allerdings als Verkäufer glaubt, dass der Markt bald wieder anspringt, der wird eher noch warten. In Summe steht dem M&A-Markt eine Durststrecke bevor. Private Equity verliert einzelne Spieler, wird aber als Mannschaft stärker Krisen sind für Finanzinvestoren schlechte Verkaufs-, aber gute Einkaufszeiten. Das gilt auch für die Pandemie mit ihren wirtschaftlichen Folgewirkungen. Einige in den falschen Branchen ausinvestierte Fonds werden möglicherweise eine so schlechte Performance aufweisen, dass sie keinen Nachfolgefonds auflegen können. Das wird aber die Ausnahme bleiben. Tatsächlich kann die Krise die Performance einiger Fonds durch geglückte Add-on-Akquisitionen sogar verbessern. Sobald die Wirtschaft wieder eine klare Richtung bekommt, wird Private Equity als Käufer im M&A-Markt zur Verfügung stehen. Vor allem die auf Restrukturierungsfälle spezialisierten Investment Manager werden zahlreiche Kaufgelegenheiten erhalten. Zwar hatte der Dealflow schon vor der Pandemie angezogen, er beschränkte sich aber auf einige schwierige Branchen. Nun kommen vermutlich auch Unternehmen aus attraktiven Sektoren auf den Markt, deren Versäumnisse durch das Management bislang noch von der guten Marktlage übertüncht worden waren – in Kombination mit einem wieder anspringenden Markt sind das Filetstücke für die Turnaround-Spezialisten. Die extrem plötzliche und tiefe Krise birgt auch Chancen für ein besonderes Angebot der PE-Häuser, das sie in jüngster Zeit verstärkt, aber bislang nur mit überschaubarem Erfolg durch den Markt trugen: die „Minderheitsbeteiligung auf Zeit“. Viele Unternehmen werden durch Liquidität aus Fördermitteln vor der Insolvenz gerettet, bauen aber dadurch zu hohe Schulden auf. Ein Ausweg kann temporäres Eigenkapital von Finanzinvestoren sein. Der Unternehmer profitiert in diesem Konzept vom Glauben an die eigene Leistung: Er holt auf einem relativ niedrigen EBIT-Level frisches Eigenkapital herein und kauft den Miteigentümer heraus, wenn die Krise überstanden und das EBIT wieder deutlich höher ist. Das kann für beide Seiten sehr attraktiv sein. Auf mittlere Sicht wird die Pandemie der Branche nicht schaden. Krisenzeiten sind zwar schwierig für den Exit, aber eine gute Gelegenheit zum Kauf. Das wird auch beim Fundraising spürbar werden: Die Liquidität bei institutionellen Investoren wird nicht versiegen, sodass Commitments kommen werden, wenn die Perspektiven wieder etwas klarer sind. „Firsttimer“ dürften es allerdings künftig noch schwerer haben als ohnehin schon.